Innsbrucker*innen

Adressbücher aus dem 19. und 20. Jahrhundert

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XIV
mand unbehelligt im freien Besitz irgendwelcher
Güter durch Jahr und Tag bleibt, wird er, wenn
der Kläger sich zur selben Zeit mit ihm im Lande
oder in der Stadt aufhielt, unangefochten der Be¬
sitzer jener Güter bleiben. Wenn aber der Kläger
seine rechtmäßige Abwesenheit nachweist, so soll er
zehn Jahre Frist haben, innerhalb deren er sein
Recht gerichtlich verfolgen kann. Wenn eines an¬
dern Mann, er sei frei oder eigen, unsere Stadt
betritt und in derselben das Bürgerrecht erwirbt,
so soll er, wenn ihn sein Herr innerhalb eines
Jahres rechtmäßig zurückfordert, diesem dienen,
wie es recht ist. Wenn er sich aber innerhalb eines
Jahres nicht um ihn kümmert, so soll er ganz un¬
angefochten bleiben. überdies werden wir jedes
Testament, das ein Bürger der gen. Stadt über
seine Güter zu Gunsten seiner Erben oder seines
Herrn aufrichtet, als gültig und fest betrachten.
Wenn jemand ohne Erben stirbt, so gehen alle seine
Güter außer den zu seinen Seelenheil vermachten
in unseren Besitz über. In Erwägung endlich, daß
im flüchtigen Laufe der Zeit die hinfällige Erinne¬
rung in den Abgrund der Vergessenheit gerissen
wird, haben wir vorliegende Urkunde schreiben
und mit unserem Siegel bekräftigen lassen. Ge¬
geben in Insbruke im Jahre des Heils 1239 am
5. Tag vor den Iden des Juni (d. i. 9. Juni), in der
12. Indiction (d. i. Römerzinszahl 12) in Gegen¬
wart folgender Zeugen: des Grafen Albert von
Tirol, Heinrichs von Streitberg (Stritbere), Ottos
von Schaumberg (Scowinbere), Heinrichs von
Schlitters (Sliters), Witelos seines Bruders von
Thaur (Tawr), Friedrichs von Rottenburg (Rotin¬
bure), Heinrichs seines Bruders, Berchtolds Traut¬
son (Trutsun), Ottos Wel, Heinrichs von Gufidaun
(Gufdun), Heinrichs von Matrei, Kunos von
Matrei, Ottos seines Bruders von Thaur und vieler
anderer, deren Leben lobenswert und ehrbar ist.“
Die Rechtssätze des vorstehenden Stadtrechtes
lassen sich in drei Gruppen einteilen. Zuerst werden
handelspolitische Bestimmungen über die Waren¬
niederlage und die Zollfreiheit getroffen. Etwas
unklar ist der Satz über den Weg und die Brücke
„jenseits des Ortes, welcher Anger heißt“ Während
man sonst annahm, daß damit die Innbrücke ge¬
meint sei, vermutet Bobek in seiner genannten Ar¬
beit, daß sich die Stelle des Textes auf den Weg
nach Amras und die Pradler Brücke beziehe. Der
heute noch gebräuchliche Name „Angerzell“ (=Gasse)
unterstützt seine Ansicht. Die folgenden Bestimmun¬
gen betreffen die Weidegemeinschaft, die Richter¬
und Gerichtsboten=Wahl, die Auflage der Steuern
und die Pfändung.
Die Münze sollte nach dem Augsburger Fuße ge¬
prägt werden. K. Moeser führt in seiner Arbeit
„Eine Münzstätte der Andechser zu Innsbruck
und die Augsburger Münze in Nordtirol“ den Be¬
weis, daß zwischen 1230 und 1241 in Innsbruck
eine andechsische Münzstätte bestand. In diesen
Jahren erscheinen als Zeugen in Urkunden die
Münzmeister Bernhard und Heinrich. Die Münz¬
stätte wurde vermutlich erst nach der bayerischen
Zwischenherrschaft und Wiedereinsetzung der An¬
dechser in ihren alten Besitz um das Jahr 1228 er¬
richtet. Sie bedeutete natürlich eine Schädigung
für den Bischof von Augsburg, der sich sehr um
ihre Auflassung bemühte, die er wahrscheinlich
kurze Zeit nach dem Aussterben der Andechser (1248)
auch erreichte; er bezahlte nämlich weiterhin eine
Entschädigung dafür. über die in Innsbruck ge¬
prägten Typen fehlen noch nähere Kenntnisse.
Im Stadtrechte werden nun die Strafsätze für
strafrechtliche Vergehen aufgezählt, wie für Tötung,
Lähmung, fließende Wunden, Heimsuche und Maul¬
schlag. Der dem bajuwarischen Rechte eigentümliche
Ausdruck Verch=Wunde bezeichnet eine sehr schwere,
meist tödliche Verletzung, z. B. des Bauches, so daß
die Eingeweide heraustreten, oder der Hirnschale,
so daß das Gehirn bloßliegt. Es ist bemerkenswert,
daß trotzdem die Strafe dafür geringer war, als
bei der Tötung und Lem. Der Ausdruck Verch¬
Wunde ist noch heute im südlichen Innsbrucker
Mittelgebirge bekannt und soll vor etwa 100 Jah¬
ren noch allgemein zur Bezeichnung der roten Ruhr
gebräuchlich gewesen sein. Bestraft wurden weiters
der Vorkauf, meist der Kauf der Früchte auf dem
Halm, sowie Maß= und Gewichtsfälschungen. Der
Frevel „Heimsuche“, d. i. das seindselige Nacheilen
in ein fremdes Haus, wird zweimal genannt. Viel¬
leicht hat dies seinen Grund in einer Zusammen¬
setzung der vorliegenden Rechtssätze aus verschie¬
denen, anderen Stadtrechten. Den Abschluß bilden
privatrechtliche Bestimmungen über die Ersitzungs¬
frist, die Erwerbung des Bürgerrechtes und die
letztwilligen Verfügungen. Die große Zahl der im
Schlußsatze des ganzen Textes aufgezählten Zeu¬
gen, die zumeist den erste Familien des Landes
angehörten, beweist die Bedeutung, welche der
Ausstellung dieser Stadtrechtsurkunde zukam. Die
Frage nach der Herkunft der vorliegenden Bestim¬
mungen aus anderen Stadtrechten sei hier nur an¬
gedeutet. Ein guter Teil dieser Rechtssätze kehrt
nämlich im Münchner Stadtrecht von 1294 wieder.
Für einen Zusammenhang der beiden Stadtrechte
gibt es nun drei Möglichkeiten, nämlich entweder
wurde das Münchner Recht dem Innsbrucker nach¬
gemacht, was aber unwahrscheinlich ist, oder
Bertold III. von Andechs hat bei der Marktver¬
legung von 1180 das Recht des nahegelegenen
München eingeführt, oder beide Städte hatten von
Haus aus das gleiche Recht erhalten.. Der Besitz
der Andechser in Burgund und die Vermählung
Herzog Otto VIII. mit der Tochter des Pfalzgrafen
der Champagne führte sogar zur Erwägung fran¬
zösischer Einflüsse.
Das älteste Innsbrucker Stadtsiegel, von dem
nur ein Stück bekannt ist, hängt an einer Urkunde
von 1267. Es zeigt die Innbrücke in der Drauf¬