Innsbrucker*innen

Adressbücher aus dem 19. und 20. Jahrhundert

vorhergehende ||| nächste Seite 30 Buch 1970
   
Neue Suche:
   


Volltext dieser Seite

24
Chronik und Statistik
I
INNSBRUCK ALS EUROPASTADT
Von Amtsoberrevident Hans S c h i e s 11
Am 28. Jänner 1965 wurde dem Bürgermeister der Landeshauptstadt Innsbruck, Dr. Alois Lugger, in
Straßburg der Europa-Preis 1964 überreicht, den der Kommunalausschuß der Beratenden Versammlung des
Europarates der Stadt Innsbruck vor weiteren 93 Bewerbern zugesprochen hat.
Der Europa-Preis - bestehend aus einer Urkunde, dem Wanderpreis, der Europafahne, einem Geldbetrag
und einer Plakette „Für Verdienste" - wird jährlich vom Kommunalausschuß der Beratenden Versammlung
des Europarates vergeben und Gemeinden und Städten zuerkannt, die sich um den Europagedanken und
dessen Verwirklichung besondere Verdienste gemacht haben. Denn in dem Bemühen um die internationale
Verständigung und Einigung Europas spielt die Haltung der Gemeinde eine entscheidende Rolle.
Die Beratende Versammlung einerseits und das Ministerkomitee andererseits sind jene zwei Organe, aus
denen sich der Europarat in Straßburg zusammensetzt. Das Ziel des Europarates ist es, einen stärkeren
Zusammenschluß zwischen den Mitgliedsländern herbeizuführen sowie die Ideale und Grundsätze, die ihr
gemeinsames Erbe darstellen, zu schützen und zu fördern, aber auch ihren wirtschaftlichen und sozialen
Fortschritt zu begünstigen.
Jeder Mitgliedsstaat - derzeit gehören dem Europarat 18 Staaten an - wird im Ministerkomitee von
seinem Außenminister vertreten. Das Ministerkomitee tagt zwölfmal im Jahr, davon zweimal auf Minister¬
ebene. Bei den übrigen Tagungen werden die Außenminister von ihren ständigen diplomatischen Ver¬
tretern repräsentiert. Durch den Abschluß von Konventionen bzw. Übereinkommen oder durch die An¬
nahme einer gemeinsamen Politik bemüht sich dieses Organ um den immer engeren Zusammenschluß
seiner Mitgliedsstaaten. Das Ministerkomitee hat somit den Charakter einer Ständigen Diplomatischen
Konferenz.
Etwas umwälzend Neues im Bereich der internationalen Beziehungen ist die Beratende Versammlung.
Erstmalig bilden Parlamentarier verschiedener Länder ein eigenes Gremium, das sich mit Fragen internatio¬
naler Zusammenarbeit befaßt und sich an der Ausarbeitung einer neuen Außenpolitik beteiligt.
Die besondere Struktur dieses Forums ist durch drei Eigenheiten gekennzeichnet:
a) Jedes Mitglied der Beratenden Versammlung gibt zu den behandelnden Fragen seine persönliche Mei¬
nung ab und nicht die seiner Regierung. Dieses Forum ist daher ein echtes Ausspracheforum der euro¬
päischen, öffentlichen Meinung.
b) Es gibt in der Beratenden Versammlung kein Vetorecht. Die von der Versammlung an die Minister ge¬
richteten Empfehlungen und sonstigen Texte, wie Entschließungen und Stellungnahmen, werden in der
Regel mit Stimmenmehrheit angenommen.
c) Die Anzahl der Parlamentarier, die die einzelnen Mitgliedsstaaten in die Beratende Versammlung ent¬
senden können, wird der Einwohnerzahl entsprechend festgelegt und schwankt zwischen mindestens drei
für die kleinsten Länder und höchstens 18 für die größten Länder (insgesamt 144 Abgeordnete und eben¬
soviel stellvertretende Abgeordnete).
Die Arbeit der Beratenden Versammlung wird von vielen Ausschüssen, wie z. B. dem Kommunalausschuß,
unterstützt; denn Zusammenarbeit tut nicht nur in der Politik not, sondern auch in den vielen anderen
Bereichen des menschlichen Zusammenlebens. In diesem Sinne ist Innsbruck bemüht, alle seine Möglich¬
keiten zur Förderung der Einheit Europas einzusetzen, indem die Gemeinden und regionalen Gebiets¬
körperschaften auf dem Boden garantiert echter Selbstverwaltung in ihrer historisch gewachsenen Eigenart
konstitutionell politische Mitverantwortung für das Vaterland Europa tragen.
Durch gemeinsame Arbeit soll das Vereinte Europa gebaut werden, das weniger das Werk der Staats¬
kanzleien und Diplomaten als vielmehr die Frucht des Wollens aller Europäer sein wird.
Innsbruck, das von der Brücke über den Inn seinen Namen hat, wird auch in Zukunft bestrebt sein, in
diesem Sinne seiner Brückenfunktion gerecht zu werden.