Innsbrucker*innen

Adressbücher aus dem 19. und 20. Jahrhundert

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12
Chronik und Statistik
I
Wenige Tage später beginnt eine Reihe von Erdbeben, die
bis Weihnachten dauern. Im Dezember ist auch ein Komet
sichtbar. Im April 1620 legt ein verheerender Brand das
Kloster und die Kirche der erst vor fünf Jahren eingezoge-
nen Serviten sowie die Plattnerei (an der Stelle des heutigen
Landhauses) in Asche.
1621 werden der Anführer der mährischen Rebellen,
Oberst Friedrich von Tieffenbach, und der Bindergeselle
Paul Lederer aus Mieders, als Verkünder der neuen Reli¬
gion öffentlich enthauptet.
1636 fliegt abermals die Pulvermühle in die Luft, wobei
auch die im Hofgarten erbaute Ruhelust Feuer fängt und
abbrennt. Drei Jahre später fällt der Dachstuhl des Rat¬
hauses einem Brand zum Opfer. 1640 verursacht der Inn
eine große Überschwemmung. Bei der Grabung nach den
Gebeinen des Riesen Haymo in der Wiltener Stiftskirche
stürzt am 3. Dezember 1644 der Turm der Kirche ein.
Im Juli 1670 beginnt die furchtbare Erdbebenperiode,
die 40 Tage dauert und bei der über 100 Erdstöße die angst¬
vollen Bürger auf die freien Felder treiben. Die St.-Jakobs-
Statue stürzt von der Pfarrkirche, das Kuppelkreuz von der
Jesuitenkirche, und nur wenige Häuser bleiben unbeschädigt.
Überdies tritt Ende Juli noch der Inn über die Ufer und setzt
viele Häuser unter Wasser.
Natürlich erlebten die Innsbrucker im 17. Jahrhundert
auch frohe, festliche Ereignisse. Im März 1619 zieht Erzher¬
zog Leopold V. — den das prachtvolle Reiterstandbild vor
dem Stadtsaal zeigt — als neuer Landesfürst ein. Anfangs
Februar 1622 wird die Hochzeit Kaiser Ferdinands II. mit
Eleonora von Mantua prunkvoll gefeiert. Viele Triumph¬
bögen aus Tannenreisern und Flittergold wurden für den
Empfang der Braut des Landesfürsten, Claudia von Medici,
im April 1626 errichtet. Bedeutungsvolle Tage erlebte die
Stadt dann zu Allerheiligen 1655, als die Königin Christine
von Schweden mit einem Gefolge von etwa 250 Personen
hier weilte, um zum katholischen Glauben überzutreten.
Ein hochfeierlicher Empfang wurde schließlich dem Türken¬
besieger Herzog Karl von Lothringen zuteil, als er im April
1678 kurz nach seiner Vermählung mit der Schwester Kaiser
Leopolds I. zu längerem Aufenthalt nach Innsbruck kam.
Sein kaiserlicher Schwager ernannte ihn wenig später zum
Gubernator. Sein Sohn Leopold, der in der Hofburg am
11. September 1679 das Licht der Welt erblickt, wird der
Vater des Gemahls der Kaiserin Maria Theresia, Franz von
Lothringen.
Kulturmetropole Innsbruck
Für die Stadtgeschichte sind zwei Ereignisse von nach¬
haltendem Werte, nämlich die Errichtung eines Theaters
1627 und der Universität 1669/70. Erzherzog Leopold ließ
durch seinen Hofbaumeister Christoph Gumpp aus einem
Ballspielhaus am Rennweg ein Operntheater erbauen, das
sich freilich bald als viel zu groß erwies. Es ist dies die heute
abgebrannte Dogana. Erzherzog Ferdinand Karl (1648 bis
1661) ließ 1653 ein kleineres an der Stelle des jetzigen Stadt¬
theaters errichten.
Nachdem mit dem unerwarteten Ableben des Erzherzogs
Sigmund Franz im Juni 1665 die in Tirol regierende habs¬
burgische Seitenlinie ausstarb, drohte der Stadt durch die
Auflassung des Hofes ein empfindlicher wirtschaftlicher
Rückschlag. Da bewilligte Kaiser Leopold I. im Jahre 1669
die Errichtung einer Universität. Die finanzielle Grundlage
hiefür sollte ein Aufschlag auf das Haller Salz bilden. Als
1674 die letzte der vier Fakultäten, die Medizinische, eröff¬
net wurde, mehrten sich bereits die Klagen über die Faul¬
heit der Studenten im Besuch der Vorlesungen. Die Uni¬
versität, die zuerst in der Herrengasse untergebracht war,
bezog erst 1776 die heute sogenannte „alte Universität“
(zwischen Volkskunstmuseum und Jesuitenkirche).
Am Beginn des 18. Jahrhunderts bereitete der Bayern¬
einfall des Sommers 1703 der Bevölkerung schlimme Tage.
Am 25. Juni machte eine Abordnung der Stadt dem bereits
in Hall eingezogenen Kurfürsten Max Emanuel ihre Auf¬
wartung und bat ihn, „die Stadt Innsbruck und ihre Ein¬
wohner bei häuslichen Ehren zu erhalten und nicht zuzu¬
geben, daß ihnen, als Unschuldigen, mit Raub, Mord und
Brand zugesetzt werde“. Nachdem der Kurfürst sechs Tage
lang in Mühlau gelagert hatte, war er am 2. Juli in Inns¬
bruck eingezogen und hatte in der Hofburg Quartier ge¬
nommen. Zur Erinnerung an den Abzug der Bayern am
St.-Anna-Tag, dem 26. Juli, wurde die „Annasäule“ in der
Neustadt errichtet; sie war nach drei Jahren fertiggestellt.
Der festliche Empfang Kaiser Karls VI. im Herbst 1711
wurde durch die Widrigkeit der Witterung vereitelt. Das
Feuerzeichen, das vom Bergisel her seine Ankunft ankündi¬
gen sollte, wurde des nebelig trüben Wetters wegen von
der Stadt aus nicht bemerkt, und so fuhr der Kaiser, wäh¬
rend die Bevölkerung aufgeregt seiner wartete, unbeachtet
zur Hofburg. An den Staatskonferenzen, die der Kaiser in
den folgenden Tagen abhielt, nahm auch Prinz Eugen von
Savoyen, der beim Wirt zum Burgriesen wohnte, teil.
Die gotische St.-Jakobs-Pfarrkirdhe, die durch die vielen
Erdbeben ziemlich gelitten hatte und der Bevölkerung schon
als altmodisch erschien, wurde 1717 abgebrochen. Den Neu¬
bau leitete der Füssener Baumeister Johann Jakob Her-
kommer und sein Schwiegersohn Hans Georg Fischer. Der
berühmte bayrische Maler Cosmas Damian Asam malte sie
aus, während sein Bruder Ägid die Stückarbeiten besorgte.
Die kunstvolle Kanzel schuf der Bildschnitzer Nikolaus
Moll. Im September 1724 wurde die Kirche geweiht.
Das Landhaus wurde nach den Plänen Georg Anton
Gumpps an der Stelle der alten Plattnerei in den Jahren
1725 bis 1730 errichtet. Die Wiltener Pfarrkirche — jetzt
Basilika — wurde 1751 bis 1755 von Franz de Paula Penz
völlig neu aufgebaut.
Im Sommer 1765 erlebte Innsbruck wohl die prunkvollste
Feierlichkeit im Laufe seiner Geschichte, nämlich die Hoch¬
zeit Erzherzog Leopolds, des späteren Kaisers Leopold II.,
mit der spanischen Infantin Maria Ludovica. Die Kaiserin
Maria Theresia, ihr Gemahl Franz von Lothringen, der Sohn
Josef (Kaiser Josef II.) und die gesamte kaiserliche Familie
nahmen daran teil. Die Stadt hatte große Vorbereitungen
für einen würdigen Verlauf getroffen. Das Vorstadttor am
Eingang in die Herzog-Friedrich-Straße wurde abgerissen,
um den Hofkutschen die Einfahrt in die Altstadt zu er¬
leichtern. Die freigewordenen Steine wurden später zum
Bau der heutigen Triumphpforte verwendet. Die mit Unrat
und stinkenden Tümpeln gefüllten Stadtgräben wurden auf¬
geschüttet, die Gassen gesäubert und ausgebessert.
Die durch schlechtes Wetter beeinträchtigten Feste er¬
fuhren ein ebenso trauriges wie unerwartetes Ende, als am
18. August Kaiser Franz vom Schlage getroffen in den
Armen seines Sohnes, des Kaisers Josef II., in der Hofburg
verschied. Kaiserin Maria Theresia stiftete zur dauernden
Erinnerung an das Ableben ihres geliebten Gemahls das
adelige Damenstift, das noch im selben Jahre 1765 eröffnet
wurde. Die erste Äbtissin, Erzherzogin Elisabeth, eine Toch¬
ter der Kaiserin, erfreute sich als „kropfete Lisi“ bei der
Bevölkerung größter Beliebtheit.
Von jenem Jahr 1765 an trug der Hofportier Johann
Pusch fleißig eine Stadtchronik zusammen, die sein Sohn,
der Archivregistrant Gottfried Pusch, bis 1865 weiter¬
führte. Annalen des Klosters Wilten und der Stadt hatte
der Wiltener Chorherr Adalbert Tschaveller in der ersten
Hälfte des 18. Jahrhunderts verfaßt. Seit 1761 erschien die
„Ynnsbruckerische (mondtägliche oder mittwöchige) Ordi-
nari Zeitung“.
Zentrum der Landespolitik und Verwaltung
Von 1784 an sollte ein Magistrat die Stadtverwaltung
besorgen, der aus einem Bürgermeister, fünf geprüften
Räten, zwei Sekretären und zehn weiteren Hilfskräften
bestand. Mangels der nötigen Geldmittel wurde dieser
Magistrat aber schon bald aufgelassen und 1794 ein neuer
mit einem Bürgermeister, neun Räten und 24 Beisitzern
geschaffen. Dieser sollte mit den jährlichen Einnahmen der
Stadt von etwa 6000 Gulden auskommen. Damals wurde die
Justizpflege der Stadt von der politisch-ökonomischen Ver¬
waltung getrennt. 1781 hob Kaiser Josef II. die Universität
auf und bildete sie in ein Lyzeum um.
Die alte Maximilianische Hofburg wird auf Befehl Maria
Theresias zwischen 1766 und 1770 nach dem Plane des Ing.-
Majors Walter umgebaut. Den neuen Riesensaal darin malt
1775 Anton Franz Maulpertsch aus. 1790 trägt man das