Innsbrucker*innen

Adressbücher aus dem 19. und 20. Jahrhundert

vorhergehende ||| nächste Seite 17 Buch 1970
   
Neue Suche:
   


Volltext dieser Seite

I
Chronik und Statistik
11
erhofften goldenen Zeitalters in Auftrag gegeben. Die
Ausführung besorgte der Hofbaumeister Nikolaus Türing.
Eine Folge davon, daß sich der Landesfürst für dauernd
in Innsbruck niederiieß, war ein Anwachsen der Bevölke¬
rung. Hofleute und Regierungsbeamte zogen zu und der
Landadel hielt sich auch häufiger in der Residenz auf. Am
Ausgange des Mittelalters dürfte Innsbruck etwa 3000
Einwohner gezählt haben. Zweifellos wurden auch manche
Häuser ausgebaut und vergrößert. Über die Anlage und
Errichtung der schönen gotischen Lauben liegen gar keine
Angaben vor.
Im Jahre 1401 weilt König Ruprecht von der Pfalz in
Innsbruck. Am 10. Juli 1415 trifft Herzog Ernst der
Eiserne ein, um für seinen geächteten Bruder Herzog
Friedrich die Regierung des Landes zu übernehmen. Da er
alsbald die Herrschaft über Tirol ganz an sich reißen
wollte, kam es zu einem Bruderzwist, den aber Herzog
Friedrich dank der Anhänglichkeit der Tiroler für sich
entschied . Nach dessen Ableben (1439) kann sein unter
Vormundschaft stehender Sohn Sigmund — den man den
Münzreichen nannte — erst im August 1446 die Herr¬
schaft des Landes übernehmen. Bereits 1452 wird er in
einen langwierigen Streit mit dem Bischof von Brixen,
Kardinal Nikolaus von Cusa, verwickelt. Im Verlauf der
Auseinandersetzung nimmt der Herzog den Bischof sogar
im Stifte Wilten im Juni 1457 gefangen. Herzog Sigmund
läßt sich in Innsbruck nieder und verleiht der Stadt 1460
einen Wochenmarkt. Unfähigkeit und Mißwirtschaft zwin¬
gen den alternden Herzog, der seit 1477 den Erzherzog¬
titel führt, das Land seinem Vetter König Maximilian —
seit 1508 Kaiser — zu übergeben.
Kulturgeschichtlich von allgemeiner Bedeutung ist der
große Hexenprozeß vom Jahre 1485, den der Domini¬
kaner Heinrich Institoris veranstaltete. Allein im Monat
August 1485 spürte er in Innsbruck und Umgebung 40
der Hexerei Verdächtige — meist Frauen — auf. So wurde
die Kleuberin aus Hötting beschuldigt, ihren eigenen Sohn
durch dreimaliges Fasten an Sonntagen getötet zu haben,
weil er gegen ihren Willen ein Weib nahm; die Swingel-
mentlin war angeklagt, sogar den Barbier des Erzherzogs
verzaubert zu haben. Diese Fälle dienten Institoris zur
Abfassung seines 1487 erstmals herausgegebenen „Hexen¬
hammers“ (Malleus Maleficarum), der die Regeln enthielt,
nach denen in den folgenden Jahrhunderten eine Unzahl
unglücklicher Menschen, die man als Hexen oder Zauberer
verdächtigte, den grausamsten Martern ausgeliefert wurde.
Am Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit steht — der
altüberlieferten Zeiteinteilung der Geschichte nach — die
imponierende wie eigenartige Persönlichkeit Kaiser Maxi¬
milian I. (König 1486; erwählter Kaiser 1508; gest. 1519),
den man den „letzten Ritter“ nannte. Auch die Stadt Inns¬
bruck, die er schon wegen der nahen Jagdgelegenheit oft
und gerne besuchte, erlebte unter seiner Regierung eine
wesentliche Veränderung und nahm neuzeitlichen Charak¬
ter an: der Hof gewann europäisches Ansehen, ebenso ein¬
zelne Bauten, wie das Goldene Dachl und das Grabmal des
Kaisers, und die Kunst der Harnischschläger, Plattner und
Geschützgießer. Die Kaiserin Bianca Maria Sforza hielt sich
lange in der Hofburg auf, wo sie am 31. Dezember 1510
einer Wassersucht erlag. Kein Geringerer als Albrecht Dürer
schuf das älteste naturgetreue Bild von Innsbruck.
Als Maximilian zu Allerseelen 1518 vom Reichstag In
Augsburg nach Innsbruck kam, verweigerten die Wirte
wegen der bereits bestehenden hohen Schulden die Unter¬
bringung des Trosses. Der darüber aufgebrachte Kaiser,
der damals wohl bereits schwer krank war, verließ darauf¬
hin Innsbruck. So erfuhr sein Abschied von der geliebten
Stadt eine gewisse Trübung.
Reformation und Bauernaufstand verschonten auch Tirol
nicht. Der Innsbrucker Apotheker Villinger nimmt den neuen
Glauben an, dem auch der Arzt Dr. Johann Merl zugetan ist.
Der Wiedertäufer Nikel Geyerbühler wird in Innsbruck er¬
griffen und enthauptet. Im Jahre 1562 beginnen die Jesuiten
ihre Tätigkeit in Innsbruck, ein Jahr später die Franziska¬
ner. Kaiser Ferdinand I. läßt für das Grabmal seines Gro߬
vaters Maximilian — der in Wels starb und in Wiener Neu¬
stadt beigesetzt wurde — eine eigene Kirche, die Hofkirche,
j erbauen, die im Februar 1562 geweiht wird.
Der Buchdruck wurde in Innsbruck erst um 1550 ein¬
geführt, als ihn die Regierung zur Herausgabe gedruckter
Mandate dringend benötigte. Besonderes Ansehen genoß der
Buchdrucker Hans Bauer (= latein. Agricola), der 1577 nach
Innsbruck kam und hier durch 25 Jahre Bücher druckte,
wie z. B. ein Drama vom Raub der Proserpina, das vermut¬
lich Erzherzog Ferdinand II. selbst verfaßte.
Nach dem Ableben Kaiser Maximilians I. bewohnte dessen
Enkel Erzherzog Ferdinand I. als Gubernator von Tirol
mit seiner Familie die Innsbrucker Hofburg. Auch nachdem
er 1531 König (1556 Kaiser; 1564 gest.) geworden war, ließ
er seine vielen Kinder (15, unter ihnen der spätere Kaiser
Maximilian II. und Landesfürst Erzherzog Ferdinand II.) in
Innsbruck. Als am 9. Juni 1534 in der Hofburg ein Brand
ausbrach, mußte die königliche Familie in einem Privathaus
Zuflucht suchen. 1551 weilte auch der stark an Podagra
(= Gicht) leidende Kaiser Karl V. hier.
Erzherzog Ferdinand II., der Gemahl der schönen Augs¬
burgerin Philippine Welser, übernimmt 1564 das Land und
läßt Schloß Ambras zu einem fürstlichen Wohnsitz aus¬
bauen. Am 17. Jänner 1567 zieht der Erzherzog mit großem
Pomp auf einem weißen Zelter unter einem Himmel, den
junge Adelige tragen, ein. Die Stadtobrigkeit verehrt ihm
zur Begrüßung ein vergoldetes silbernes Trinkgefäß in der
Form eines Adlers, der das Stadtwappen zeigt. Nachdem
Mitte Februar 1580 die Hochzeit des Freiherrn Johann von
Kolowrat, eines Vetters der Weiserin, mit großen Festlich¬
keiten, wie Turnieren, Ringelrennen usw., gefeiert worden
war, erkrankte zwei Monate später Philippine an einem aku¬
ten Fieber, dem sie am 24. April erlag. Im Mai 1582 ver¬
mählte sich der verwitwete Erzherzog mit Anna Katharina
Gonzaga von Mantua, die durch drei Triumphbögen in die
Stadt einzieht. Zur Sicherheit vor Erdbeben, die schon 1572
(40 Erdstöße) und 1578 Schrecken und Schäden verursachten,
übersiedelte das Fürstenpaar im Mai 1583 in einen Holzbau
im Hofgarten, die sogenannte Ruhelust, wo der Erzherzog
auch am 24. Jänner 1595 stirbt. Da seine Söhne aus der Ehe
mit der Weberin nicht erbfolgeberechtigt waren und aus der
zweiten Ehe nur Töchter stammten, übernahm nach länge¬
ren Verhandlungen im Juli 1692 Erzherzog Maximilian
der Deutschmeister (gestorben 1618) die Stelle eines Guber¬
nators von Tirol.
Das städtische Kanzleiwesen erlebte im 16. Jahrhundert
wie das landesfürstliche mehrfache Verbesserungen. Die
Inwohneraufnahmen werden in ein Verzeichnis, die Ein¬
bürgerungen in das Bürgerbuch eingetragen; Bürgerlisten
werden angelegt. Um 1527 beginnen fast gleichzeitig die
Verfachbücher und Ratsprotokolle, die anfänglich freilich
noch ziemlich mager sind. Für die Stadtkammer, das Spital
und die St.-Jakobs-Pfarrkirche wurden alljährlich genaue
Abrechnungen angelegt. 1567 wird eine Einwohnerzählung
durchgeführt, die ohne Hofstaat und Klosterinsassen 5050
Seelen ergibt. Die Matrikelbücher der St.-Jakobs-Pfarrei
beginnen, wie mehrere im Eisack- und Silltal, ziemlich früh,
mit 1580. Drei Jahre später wird der Gregorianische Kalen¬
der eingeführt.
Kriege — Krankheiten — Katastrophen
Das 17. Jahrhundert, in dem Europa die Schrecken des
30jährigen Krieges erlebte, brachte Innsbruck zwar keine
Kriegsschäden, aber eine Reihe von Unglücksfällen. Gleich
1602 zertrümmert ein Blitzschlag den Höttinger Kirchturm
und 1608 fliegt die Pulverstampfe an der Sill in die Luft.
1611 wird die Stadt von einer verheerenden „Pest“-Epide¬
mie heimgesudht. Nach der genauen Beschreibung des
Krankheitsbildes durch den Stadtarzt Dr. Weinhart handel¬
te es sich dabei aber nicht um die echte Pest, sondern um
das Ungarische Fieber oder den Flecktyphus, der freilich
auch eine hohe Sterblichkeit zeitigte. Der Landesfürst floh
in das Unterinntal, die Behörden nach Sterzing und die Be¬
völkerung gelobte den Bau einer Kirche zu Ehren der
Pestpatrone St. Sebastian und St. Rochus sowie des Stadt-
patrones St. Pirmin (daher Dreiheiligenkirche genannt).
Zu Allerseelen 1618 stirbt zu Wien Erzherzog Maximilian.